CORONA-KRISE
GroKo-Paket bleibt hinter Möglichkeiten zurück
So gut das Konjunkturpaket der Bundesregierung wirken mag – mit der Summe hätte mehr erreicht werden können. Eine Einschätzung von Sebastian Dullien.
VON
SEBASTIAN DULLIENVERÖFFENTLICHT
4. JUNI 2020LESEDAUER
4 MINEs ist erfreulich, dass sich die Bundesregierung auf ein Konjunkturpaket mit einem erheblichen Umfang geeinigt hat. Das Paket enthält dabei eine Reihe von sinnvollen Elementen, und auf den ersten Blick scheint es auch ein angemessenes Volumen zu haben. Bei genauerer Betrachtung bleibt es aber insgesamt hinter den Möglichkeiten zurück, die man mit der angegebenen Gesamtsumme hätte erreiche können.
Bei den Einzelposten zu Investitionen, zur Förderung der Klimawende, der E-Mobilität und von Forschung und Entwicklung, der Entlastung der Unternehmen bei den Stromkosten ebenso wie den Hilfen etwa für den Kulturbereich findet sich viel Sinnvolles, oft auch in sinnvoller Größenordnung. Viele der dort angesprochenen Projekte finden sich so oder sehr ähnlich in dem Gutachten, dass das IMK zusammen mit dem DIW, dem FÖS und dem IFSOE im Auftrag des Bundesumweltministeriums erstellt und Mitte Mai vorgestellt hat (etwa bei der energetischen Gebäudesanierung, der Förderung von Wasserstofftechnologien und Ladeinfrastruktur, zum Digitalpakt oder zur frühkindlichen Bildung). Das ist alles gut und sinnvoll für den perspektivischen sozial-ökologischen Umbau der deutschen Wirtschaft. Allerdings dürfte ein relevanter Teil dieser Punkte eine konjunkturelle Wirkung frühestens 2021 entfalten.
Im Bereich der Kommunen ist erfreulich, dass der Bund künftig einen größeren Teil der Kosten für Unterkunft in der Grundsicherung übernimmt. Darüber hinaus sind die Entlastungen der Kommunen aber nicht ausreichend. Die Kommunen werden lediglich um die absehbaren Einnahmeausfälle der Gewerbesteuer 2020 entlastet. Die Zusatzkosten aus dem Infektionsschutzgesetz sowie die Einnahmefälle im Jahr 2021 sowie die Einnahmeausfälle aus anderen Steuern verbleiben bei den Kommunen und dürften deren Finanz- und Investitionskraft schwächen. Enttäuschender Weise hat man keine Einigung für die schon lange drängende Frage der Entschuldung der Kommunen mit hohen Altschulden gefunden. Im Aufschwung war dieses Problem weniger drängend, im Abschwung dürften die neuen Sozialausgaben die Kommunen so belasten, dass viele ihre Investitionspläne eindampfen müssen.
Bei der Bahn übernimmt der Bund mit dem Paket nur – wie bereits versprochen – etwa die Hälfte der aus der Corona-Krise resultierenden Verluste von absehbar etwa 10 Milliarden Euro. 5 Milliarden Euro Verlust dürften also bei der Bahn verbleiben und zu Einsparungen im Personalbereich und Investitionen führen und damit die Verkehrswende zurückwerfen.
Ähnliches gilt für den ÖPNV: 2,5 Mrd. € zur Stützung des öffentlichen Personennahverkehrs erscheinen angesichts der großen Einnahmeeinbußen aus dem ersten Halbjahr als nicht ausreichend, um Investitionseinschnitte zu vermeiden.
Die große Schwäche des Pakets liegt bei der kurzfristigen Stützung der Nachfrage. Denn insgesamt dürfte vor allem der kurzfristige Nachfrageimpuls aus dem Paket schwach ausfallen.
Die drei größten Posten des Pakets dürften wenig Konjunkturwirkung entfalten und vor allem kaum kurzfristig Nachfrage schaffen:
- Die vorübergehende Mehrwertsteuersenkung (20 Mrd. €) dürfte nach allen Erfahrungen und theoretischen Überlegungen zu Preissetzung und Schwellenpreisen nur zu einem begrenzten Teil an die Verbraucher weitergegeben werden. Damit dürfte sie auch eher einen geringen Nachfrageeffekt entfalten. Die Steuersenkung verbessert statt dessen die Ertragslage der Unternehmen, und zwar unabhängig davon, ob die Unternehmen von der Krise betroffen sind (etwa stationärer Einzelhandel) oder ohnehin Krisengewinner sind (etwa Online-Einzelhandel).
Wirkung könnte diese Steuersenkung bei Renovierungsleistungen erzielen, deren Preise oft ohne Mehrwertsteuer (also netto) ausgewiesen und verhandelt werden, und mit Einschränkungen bei Autos (wobei die hochpreisigen Modelle ja vor allem Firmenwagen sind – rund 60 % der in Deutschland neu zugelassenen Fahrzeuge sind gewerblich zugelassen, und für die hat die Senkung keine Folgen). - Die Soforthilfen für kleine und mittlere Unternehmen in den besonders betroffenen Branchen (25 Mrd. €) mögen hier zwar Insolvenzen verhindern, schaffen aber ebenfalls keine neue Nachfrage.
- Die Stabilisierung der EEG-Umlage (11 Mrd. €) tritt erst zum 1.1.2021 in Kraft. Damit wird ein höherer Anstieg der Umlage verhindert, aber die minimale Senkung schafft kaum Kaufkraft und kommt für einen kurzfristigen Impuls zu kurz. (Überhaupt tragen die Privathaushalte ja nur etwa 40 Prozent der Umlage)
Zu beachten ist bei den Soforthilfen zudem, dass dies keine neuen Mittel sind, sondern lediglich der Empfängerkreis und die Modalitäten gegenüber dem Programm vom 23. März 2020 ausgeweitet werden.
Zum Autor: Prof. Dr. Sebastian Dullien ist wissenschaftlicher Direktor am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK).