NEUES LEITMOTIV
Forum-Newsletter: Wenn Strukturreformen den Populisten nutzen / Symposium mit Lars Klingbeil am 28. November
Aus unserer Forum New Economy Newsletter-Reihe
VON
THOMAS FRICKEVERÖFFENTLICHT
10. OKTOBER 2025
Liebe Freunde, Kolleginnen und Kollegen,
es liegt nahe, darüber zu spotten: Für alles mögliche hat die schwarz-rote Bundesregierung Kommissionen und Beiräte vorgesehen – für die Rente, die Bürokratie, die Schuldenregel, den modernen Staat, selbst für die KI und Chinas Konkurrenz. Seitdem wird gehämt, das dauere alles ja viel zu lange dauere – und es komme im Zweifel nichts heraus. Dabei lässt sich spätestens seit den Eilbeschlüssen zum Bürgergeld vermuten, dass es nicht schlecht ist, über das eine oder andere Expertinnen und Experten nochmal nachdenken zu lassen.
Dass der Missbrauch von Bürgergeld nachweislich eher ein Randphänomen ist, hat die Regierung nicht abgehalten, jetzt mit viel Verve eine Reform anzukündigen – obwohl selbst bei denen, die dann künftig womöglich sanktioniert werden, unklar ist, ob sie überhaupt arbeiten können: entweder weil andere Gründe dagegen sprechen; oder sie nur für Hilfsjobs infrage kommen, bei denen sowieso zu viele Bewerber auf eine Stelle kommen; mal abgesehen davon, dass es keinen Sinn ergibt, jemanden zur Stellenaufnahme zu drängen, wenn es besser wäre, mit etwas mehr Geduld eine Stelle zu suchen, bei der die entsprechende Qualifikation dringend gebraucht wird.
Wenn das stimmt, lässt sich bestenfalls hoffen, dass die neuen Regeln das Gerechtigkeitsempfinden im Volk verbessern. Gut möglich allerdings, dass eher das Gegenteil passiert und der Unmut weiter zunimmt. Wenn man der gängigen historischen Forschung folgt, gibt es etliche Hinweise darauf, dass strukturelle Umbrüche besonders dann für Zulauf zu Populisten und Autoritären sorgt, wenn den betreffenden Menschen auch noch Geld vom Staat weggenommen wird. Das gilt nach den Auswertungen von Timo Fetzer für den Brexit. Das gilt nach den Arbeiten renommierter Wirtschaftshistoriker auch dafür, dass die Nazis 1932/33 eben in solchen Regionen besonders gewonnen haben, in denen die Brüningsche Sparpolitik am härtesten umgesetzt wurde. Fatale Nebenfolgen von Austerität.
Wenn darin nur ein Hauch von Wahrheit steckt, könnte die Bundesregierung gerade ungewollt zum nächsten Aufstieg der AfD beitragen. Es ist halt für viele nicht nachvollziehbar, warum ihnen nun Geld weggenommen wird, wenn sie nicht mehr oder weniger leisten als zuvor – und es eben auch schwer vermittelbar ist, warum aus irgendeinem abstrakten höheren gesellschaftlichen Grund (die Rente oder Verweigerer) nun ihr Lebensstandard sinkt. Das können nur Leute in Talkshows mal so ausgeben. Zumal in einer Zeit, in der Menschen noch die Nachwirkungen der ebenfalls nicht selbst verschuldeten Inflation spüren.
Höchste Zeit für Kommissionen, die mit viel mehr Ernsthaftigkeit durchdenken und durchrechnen, was solche Reformen dem Land wirklich am Ende bescheren. Nicht dass es am Ende mehr schadet als hilft.
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Was ganz nebenbei gerade viel wichtiger wäre, ist womöglich dafür zu sorgen, dass die Milliarden, die durch das Sondervermögen mobilisiert wurden, so ausgegeben werden, dass es dem Land in Zukunft hilft. Bedarf gibt es da ja deutlich mehr. Dazu werden wir am 28. November ein Symposium machen, zu dem der Bundesfinanzminister Lars Klingbeil schon zugesagt hat. Start um 15 Uhr. Wer schonmal vorgemerkt werden will, bitte einfach auf die Mail antworten. Anmeldungsformular mit mehr Details folgt.
Ein schönes Wochenende,
Thomas Fricke
Dieser Text stammt aus unserer zweiwöchig erscheinenden Newsletter-Reihe. Zur Anmeldung geht es hier.