DER STAAT | NEW ECONOMY SHORT CUT

"Mission Economy: A Moonshot Guide to Changing Capitalism"

19.10.2021

12 Uhr

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Englisch

In ihrem neuesten Buch „Mission Economy“ plädiert Mariana Mazzucato dafür, die Kapazitäten und die Rolle des Staates in Wirtschaft und Gesellschaft neu zu denken, um insbesondere den Sinn für öffentliche Aufgaben (Purpose) wiederzufinden.

Mazzucato ist davon überzeugt, dass zur Lösung der massiven Krisen, mit denen wir konfrontiert sind, ein kollaboratives, missionsorientiertes Denken unabdingbar ist. Dafür sei eine Stakeholder-Sicht auf öffentlich-private Partnerschaften notwendig. Wir müssten in größeren Dimensionen denken und unsere Ressourcen auf eine Art und Weise mobilisieren, die so kühn und inspirierend sei wie die Mondlandung – dieses Mal, um die größten sozialen Probleme unserer Zeit anzugehen.

In Deutschland stößt der Grundgedanke des missionsorientierten Denkens und Handelns zunehmend auf Offenheit: Die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) hat der Bundesregierung kürzlich empfohlen, angesichts der großen gesellschaftlichen Herausforderungen das Missionsdenken als neuen Politikansatz für Forschung und Innovation zu übernehmen. Der SPD-Kanzlerkandidat und Finanzminister Olaf Scholz ist Anfang des Jahres mit einem Bekenntnis zu einer missionsorientierten Wirtschaftspolitik in den Wahlkampf gezogen.

Wir freuen uns daher sehr, dass Mariana zugesagt hat, die Grundgedanken der „Mission Economy“ vorzustellen und mit Wolfgang Schmidt, Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, über ihre praktische Relevanz für Deutschland zu diskutieren.

Nach Ansicht von Mariana Mazzucato ist die Welt mit vielen miteinander verwobenen Krisen – von Klima über Gesundheit bis hin zur Digitalisierung – konfrontiert, die ein Überdenken der Rolle des Staates erfordern. Mazzucato sieht Europa an einem Scheideweg mit der Chance, die NextGenerationEU-Fonds für missionsorientierte Politik zu nutzen, die zu größerer Wettbewerbsfähigkeit und zu innovationsgetriebenem Wachstum beiträgt. Mazzucato zufolge gibt es derzeit auf dem gesamten Kontinent keine kohärenten Strategien im Bereich der Innovationspolitik. Daher sollten die politischen Entscheidungsträger die wertvollen Lehren aus dem Apollo-Programm der NASA ziehen, insbesondere in Bezug auf Sprache und „Framing“. Dabei sollte die Politik einerseits die Größe der Herausforderungen und gleichzeitig das wertschöpfende Potenzial öffentlicher Investitionen anerkennen. Sie rief zu einer neuen Denkweise auf, die Innovation als gemeinsames Unterfangen des öffentlichen und privaten Sektors begreift.

Mazzucato zufolge sind positivere Darstellungen der Rolle des Staates durch Erfolgsgeschichten wie die der United States Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) gerechtfertigt, die dank öffentlicher Finanzierung zur Erfindung von GPS und des Internets führte. Um erfolgreich zu sein, sollten öffentliche Einrichtungen aufgabenorientiert, dynamisch und unpolitisch sein, und sie müssen an ihren Aufgaben gemessen werden (beispielweise durch Public-Value-Metriken statt Kosten-Nutzen-Analysen). Ein wichtiges Element sollte die ergebnisorientierte Beschaffung sein, wie die Masken-Knappheit zu Beginn der Pandemie gezeigt hat. Sie wies auch darauf hin, dass die internationale Gemeinschaft es versäumt habe, Covid-19-Impfstoffe weltweit zugänglich zu machen, was manche als „Impfstoff-Apartheid“ bezeichnen.

Wolfgang Schmidt stimmte zu, dass in Deutschland eine Erneuerung notwendig ist und erklärte, dass sich Mariana Mazzucato´s Vision bereits teilweise in den Zukunftsmissionen der SPD widerspiegelt. Er glaubt jedoch auch, dass die Pfadabhängigkeit einen Kurswechsel innerhalb etablierter Institutionen sehr schwierig macht. Er wies auf die bestehenden Silos zwischen den Ministerien hin und skizzierte einige der bürokratischen Hindernisse für eine missionsgeleitete Politik. In Deutschland beispielsweise sind die Bemühungen um eine ressortübergreifende Zusammenarbeit bei der Digitalisierung bisher mit gemischtem Erfolg geblieben.