NEUES LEITMOTIV
Die New Paradigm Papers des Monats Mai
Einmal im Monat präsentiert das Forum New Economy eine Handvoll ausgewählter Forschungsarbeiten, die den Weg zu einem neuen Wirtschaftsparadigma weisen.
VON
DAVID KLÄFFLINGVERÖFFENTLICHT
27. MAI 2025LESEDAUER
5 MIN.
Die GRW neu denken: Proaktive Industriepolitik für Deutschlands Regionen
Jens Südekum, Daniel Posch
Unter Ökonomen galt Regionalpolitik lange als Störung und Verzerrung eines effizienten Marktergebnisses. Im Grundgesetz war sie hingegen von Anfang an angelegt: über das verankerte Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse in ganz Deutschland sicherzustellen. Dennoch sind regionale Disparitäten – etwa beim Pro-Kopf-Einkommen, der Arbeitslosigkeit oder der öffentlichen Infrastruktur – nach wie vor erheblich. Und sie drohen sich durch die Klimatransformation noch weiter zu verschärfen. Ein neues Impulspapier von Jens Südekum und Daniel Posch schlägt deshalb eine Reform der Gemeinschaftsaufgabe Regionale Wirtschaftsstruktur (GRW) vor: Sie soll zukünftig frühzeitig und gezielt Regionen fördern, bevor sie wirtschaftlich und sozial zurückfallen.
Decoding China’s Industrial Policies
Hanming Fang, Ming Li, Guangli Lu
Die Wiederbelebung der Industriepolitik ist ein globales Phänomen – doch China ist einer der Hauptakteure. In Anlehnung an Dani Rodrik lautet die entscheidende Frage nicht, ob Industriepolitik betrieben werden sollte, sondern wie. Eine neue Studie von Fang, Li und Lu nutzt KI-gestützte Textanalyse, um Chinas Industriepolitik von 2000 bis 2022 zu untersuchen. Ausgewertet wurden über drei Millionen politische Dokumente aller Verwaltungsebenen. Die Autoren analysieren Zielsetzungen, adressierte Branchen, eingesetzte Instrumente (z. B. Subventionen, Regulierung) und Implementierungsmechanismen. Die Analyse zeigt: Verschiedene Instrumente entfalten unterschiedlich starke Wirkungen auf Unternehmensgründungen, Produktivität und regionale Dynamiken – mit teils unerwünschten Nebenwirkungen wie Überkapazitäten.
Culture and Contemporary Political Preferences
Vasiliki Fouka, Marco Tabellini
Politische Einstellungen unterscheiden sich – ebenso wie kulturelle Normen. Doch wie interagieren sie? In einem neuen Überblicksartikel zeigen Fouka und Tabellini, dass Menschen nicht nur politische Ideologien erben, sondern auch tiefere kulturelle Überzeugungen – etwa Gerechtigkeitsvorstellungen oder Hierarchiedenken. Diese beeinflussen politische Präferenzen. Die Autoren unterscheiden drei Forschungsperspektiven: (1) die direkte Weitergabe von Parteibindungen innerhalb der Familie, (2) langfristige Stabilität politischer Einstellungen ohne klaren Mechanismus und (3) der Einfluss grundlegender kultureller Werte auf politische Haltungen. Das Kapitel liefert damit einen integrativen Rahmen für das Zusammenspiel von Kultur und Politik.
The governance and funding of European rearmament
Armin Steinbach, Guntram Wolff, Jeromin Zettelmeyer
Die europäische Sicherheitslage hat sich dramatisch zugespitzt: Europas militärische Fähigkeiten hinken hinter den russischen Aufrüstungsanstrengungen her, und die USA ziehen sich aus ihrer Schutzrolle zurück. In einer neuen Bruegel-Studie zeigen Steinbach, Wolff und Zettelmeyer, dass Europas Verteidigungsmarkt stark fragmentiert ist – nationale Eigeninteressen dominieren die Beschaffungsentscheidungen. Statt Skaleneffekten droht so ein Preisauftrieb. Die Autoren schlagen zwei Wege vor: Entweder ein gestärktes Mandat der Europäischen Verteidigungsagentur inklusive EU-Finanzinstrument – oder eine neue „European Defence Mechanism“ (EDM), analog zum Europäischen Stabilitätsmechanismus. Dieser könnte gemeinsame Beschaffung übernehmen, strategische Ausrüstung besitzen und neue Allianzen ermöglichen, etwa mit dem Vereinigten Königreich.
Geoeconomic Pressure
Christopher Clayton, Antonio Coppola, Matteo Maggiori, Jesse Schreger
Wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen zur Erreichung geopolitischer Ziele rücken zunehmend in den Fokus – nicht erst seit Trumps Handelskriegen. Doch wie misst man ökonomischen Druck systematisch? Eine neue Studie stellt eine Methode vor, um mittels großer Sprachmodelle (LLMs) gezielt Signale geoökonomischen Drucks aus umfangreichen Textkorpora zu extrahieren. Die Autoren erfassen nicht nur die Auswirkungen implementierter Sanktionen, sondern auch Drohungen, die ohne tatsächliche Umsetzung Wirkung zeigen. Firmen reagieren unterschiedlich auf Handelszölle, Finanzsanktionen oder Exportkontrollen – und sie unterscheiden zwischen realen Maßnahmen und bloßen Ankündigungen.