NEUES LEITMOTIV
The Berlin Summit 2025: Migration & Democracy – The Impact Of Migration Policies On Voting Behaviour
Können demokratische Parteien Wähler zurückgewinnen, indem sie die Migrationspolitik verschärfen – oder stärken sie damit eher rechtspopulistische Kräfte? Diese Frage stand im Zentrum einer Diskussion auf dem Berlin Summit, bei der der empirische Zusammenhang zwischen Migration und Populismus beleuchtet wurde.
VON
FORUM NEW ECONOMYVERÖFFENTLICHT
18. JUNI 2025
In vielen europäischen Demokratien – insbesondere in Deutschland, Schweden, Dänemark und Österreich – haben sich Parteien der politischen Mitte zuletzt auf eine restriktivere Haltung zur Migration verlegt, um Stimmenverluste zu kompensieren. Doch die Diskussion zeigte: Die empirische Evidenz für die Wirksamkeit dieses Kurses ist uneinheitlich, die dahinterliegende strategische Logik bestenfalls fragwürdig. Studien zum Zusammenhang zwischen Wahlverhalten und Migrationspolitik deuten auf hochgradig heterogene Effekte hin. Zwar zeigen Umfragen, dass Migration ein relevantes Thema ist – häufig geben jedoch breitere sozioökonomische Sorgen wie Ungleichheit, Wohnungsnot oder Unsicherheit am Arbeitsmarkt den Ausschlag.
Ein wiederkehrendes Thema war die Normalisierung fremdenfeindlicher oder ausgrenzender Rhetorik. Wenn demokratische Parteien die Sprache und Forderungen rechtspopulistischer Akteure übernehmen, machen sie deren zuvor randständige Positionen gesellschaftsfähig. Daraus entsteht ein politisches Klima, in dem zunehmend drastische Maßnahmen nötig sind, um überhaupt noch wettbewerbsfähig zu bleiben – ein „Wettlauf nach unten“ in der Migrationspolitik. Rechtspopulistische Parteien profitieren davon: Sie gelten in diesem Feld als glaubwürdiger, da sie es seit Jahren besetzen. Mitte-Parteien, die ihren Kurs opportunistisch ändern, wirken dagegen oft unglaubwürdig oder getrieben – und verlieren Vertrauen. Anstatt Wähler zurückzugewinnen, bestätigen sie damit den populistischen Rahmen, der Migration als Bedrohung darstellt – und verschieben den Diskurs weiter nach rechts.
Das Panel bezog sich unter anderem auf Deutschland, wo die AfD wiederholt Krisenmomente – etwa die Flüchtlingsbewegung 2015 oder aktuelle Asyldebatten – für ihren Aufstieg genutzt hat. Teile von CDU und SPD haben daraufhin ihre Positionen verschärft. Doch die AfD wächst weiter, insbesondere im Osten – was Zweifel daran weckt, ob das Kopieren rechtspopulistischer Forderungen tatsächlich wirkt.
Mehrere Redner:innen plädierten für alternative Strategien, die auf narrative Veränderungen und institutionelle Reformen setzen. Demokratische Parteien sollten sich klar abgrenzen, Migration als gestaltbar und bei guter Steuerung als gesellschaftlich gewinnbringend darstellen. Das bedeutet: gezielt in Integration investieren, Menschenrechte verteidigen und die ökonomischen und demografischen Chancen regulierter Zuwanderung vermitteln. Ebenso wichtig sei es, die strukturellen Probleme zu benennen, die oft fremdenfeindliche Einstellungen nähren – etwa Wohnungsnot, Konkurrenz am Arbeitsmarkt oder soziale Unsicherheit. Wer diese als gesamtgesellschaftliche Herausforderungen rahmt, statt Migranten die Schuld zu geben, kann glaubwürdige, inklusive Politikkonzepte entwickeln.
Zudem wurde darauf hingewiesen, dass Europa sich mit seinen tief verwurzelten Formen von Rassismus und Xenophobie auseinandersetzen müsse, wenn es ein weltoffener Kontinent bleiben und international Fachkräfte anziehen wolle.
Fazit der Diskussion: Restriktive Migrationspolitik mag in bestimmten Kontexten kurzfristig Wählerstimmen bringen – doch sie birgt langfristig erhebliche Risiken für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und demokratische Werte. Häufig verstärkt sie rechtspopulistische Narrative, untergräbt menschenrechtliche Standards und beschleunigt die Erosion der politischen Mitte. Demokratische Parteien stehen vor einem strategischen Dilemma: Sie müssen auf reale gesellschaftliche Sorgen über Migration reagieren – ohne ausgrenzende oder fremdenfeindliche Diskurse zu bestätigen.