INNOVATION LAB | SYMPOSIUM

Symposium am 31. August 2021: Wohlstand im 21. Jahrhundert

31.08.2021

ORT

Hybrid

SPRACHE

Deutsch und Englisch mit Simultanübersetzung

In der Pandemie sind Zweifel gewachsen, dass es dauerhaft tragbar ist, wie wir bisher wirtschaften und mit Risiken umgehen. Corona sei Weckruf und Katalysator für einen Umbau des globalen und deutschen Wirtschaftsmodells. So hieß es selbst aus der Bundesregierung. Und das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur mangelnden Berücksichtigung der Interessen künftiger Generationen lässt erahnen, dass schon bald weitreichendere Entscheidungen anstehen.

Was aber heißt das? Wie sieht eine andere Art zu Wirtschaften aus? Wie unabdingbar ist das Ziel steten Wachstums? Und was wäre die Alternative? Was ist der Stand von Forschung und Praxis dazu, Wohlstand anders als über das Bruttoinlandsprodukt zu messen? Welche Länder praktizieren das bereits? Lässt sich so wirtschaften, dass sich natürliche Ressourcen regenerieren – was ebenso dringlich wäre, wie den Klimawandel zu stoppen? Wie lassen sich Sorgen vor sozialem Abstieg in einer instabilen Welt beherrschen? Und was bedeutet all das für die nächste Bundesregierung?

Forum New Economy und THE NEW INSTITUTE haben bei international renommierten ExpertInnen dazu eine Reihe grundlegender Studien in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse werden diskutiert auf einem ganztägigen Symposium zum Wohlstand im 21. Jahrhundert.

Das Symposium „Wohlstand im 21. Jahrhundert: Besser Wirtschaften nach Corona“ vom Forum New Economy und The New Institute sorgte für lebhafte und konstruktive Diskussionen – über Fragen nach Alternativen zum BIP als Wohlstandsindikator bis hin zur Frage nach neuen ökonomischen Paradigmen, die den drängenden sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden können.

Das Symposium wurde eingeleitet durch einen wissenschaftlichen Beitrag von Johan Rockström, Professor für  Earth System Science an der Universität Potsdam und Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen u.a. vom Stockholm Resilience Centre seit 2009 den Begriff der planetarischen Grenzen prägt.

In seinem Impulsreferat zu Beginn des Symposiums machte der Experte deutlich, dass dieses Jahrzehnt entscheidend für die Eindämmung der Klimakrise ist. Er erläuterte, dass der Planet bereits jetzt an seine ökologischen Grenzen stößt, insbesondere im Hinblick auf den Verlust der biologischen Vielfalt, auf die CO2-Emissionen und die Stickstoff- und Phosphorkreisläufe.

Er stellte extreme Wetterereignisse wie die jüngsten Überschwemmungen und Hitzewellen in der nördlichen Hemisphäre in den größeren Zusammenhang der Klimaerwärmung und machte deutlich, dass bereits ein Temperaturanstieg von 1.5°C einen Anstieg des Meeresspiegels um mindestens zwei Meter bis zum Ende des Jahrhunderts bedeuten würde.

Er forderte die Zuhörer auf, die neun wichtigsten miteinander verbundenen ökologischen Systeme zur Kenntnis zu nehmen, die Anzeichen für das Erreichen von Kipp-Punkten aufweisen und von denen sich einige, wie der Amazonas-Regenwald, bereits teilweise von einer Kohlenstoffsenke in eine Kohlenstoffquelle verwandeln. Das neue geologische Zeitalter des Anthropozäns, das durch den geophysikalischen Einfluss des Menschen auf den Planeten geprägt ist, zeichnet sich durch ein hohes Ausmaß, eine hohe Geschwindigkeit und eine enge Vernetzung der Systemveränderungen aus. Ein Beispiel dafür ist laut Rockström die exponentielle Zunahme von Zoonosen wie Covid-19, die mit dem dramatischen Biodiversitätsverlust einhergeht – in den letzten 50 Jahren sind bereits mehr als zwei Drittel der Wildtierpopulationen ausgestorben und rund eine Million Arten sind derzeit vom Aussterben bedroht.

Um das gesellschaftliche und wirtschaftliche Wohlergehen künftiger Generationen zu gewährleisten, bedarf es daher einer Kombination aus Massenbewegungen, politischem Fortschritt, Marktkräften und technologischen Umwälzungen. Herr Rockström verdeutlichte die Notwendigkeit, wissenschaftlich fundierte Ziele zu verfolgen, um sowohl das Klima als auch die Natur intakt zu halten. Dies vermittelte uns unmissverständlich, dass wir auf dem Weg in eine kohlenstofffreie Zukunft die Wirtschaft neu denken und die „kopernikanische Wende“ nutzen müssen.

In der ersten Session unseres in Kooperation mit The New Institute veranstalteten Symposiums zum Wohlstand im 21. Jahrhundert, gaben Dr. Nicola Brandt und Lara Fleischer von der OECD Einblicke in bewährte Verfahren zur Wohlstandsmessung, über das BIP hinaus, aus dem Umfeld der OECD. Derzeit misst etwa die Hälfte der Mitglieder der Organisation das Wohlbefinden, entweder unter der Leitung von Ministerien oder statistischen Ämtern. Die Forscherinnen stellten vier verschiedene Ansätze zur Umsetzung von Maßnahmen zum Wohlbefinden vor: die Festlegung von Visionen (z. B. durch nationale Entwicklungsstrategien und die SDGs), die Gestaltung von Haushaltsentscheidungen (z. B. das „Wellbeing Budget“ in Neuseeland), die Einrichtung neuer institutioneller Strukturen (z. B. das britische „What Works Centre for Wellbeing“) und Rechenschafts- bzw. Überprüfungsmechanismen (z. B. der walisische „Future Generations Commissioner“). Eine wichtige Erkenntnis war, dass die Schaffung von Rechtsvorschriften und die Einbeziehung der Parlamente sowie der Bürgerinnen und Bürger die Rechenschaftspflicht im Umsetzungsprozess fördern können. Ein weiterer Punkt war, dass die Führung durch die Zentralregierung dazu beitragen kann, Silos zu vermeiden. Es gibt jedoch keine pauschale Antwort, und es bleiben offene Fragen, z. B. warum im Falle Deutschlands die Initiative „Gut leben in Deutschland“ noch nicht stärker in den politischen Entscheidungsprozess integriert wurde.

Dr. Katherine Trebeck (WEALL) plädierte für eine Neuausrichtung der Wirtschaft. Sie argumentierte, dass das Streben nach grünem oder nachhaltigem Wachstum, d.h. der Ansatz, „Wachstum mit schönen Adjektiven zu versehen“, den sozialen und ökologischen Herausforderungen unserer Zeit nicht angemessen sei. Wir müssen uns auch von einer alten sozialdemokratischen Vorstellung von wirtschaftlicher Gerechtigkeit lösen, die immer noch auf Wachstum setzt. Stattdessen sollten wir uns auf den Zweck der Wirtschaft besinnen. Dazu sollten die Grundsätze der Fairness, der Würde, der Umverteilung, der Prävention (von sozialen und ökologischen Schäden), der Achtung der planetarischen Grenzen und der globalen Gerechtigkeit gehören. Ihrer Ansicht nach setzt das BIP perverse Anreize, weshalb alternative Maßnahmen intuitiv Sinn machen müssen, damit die Bevölkerung ihre Politiker zur Rechenschaft ziehen kann.

Prof. Dr. Sebastian Dullien (IMK) stellte das Konzept des „Neuen Magischen Vierecks der Wirtschaftspolitik“ vor, das neben dem BIP auch die soziale, ökologische und finanzielle Nachhaltigkeit umfasst. Er räumte ein, dass dieses Konzept von den politischen Entscheidungsträgern noch nicht in entscheidender Weise aufgegriffen wurde.

Prof. Dr. Dennis Snower (THE NEW INSTITUTE) stellte seinen „SAGE“-Ansatz zum ganzheitlichen Wohlbefinden als Summe von vier Aspekten vor: Solidarität (S), Handlungsfähigkeit (A), materieller Gewinn (G) und ökologische Nachhaltigkeit (E). In einer Analyse von über 150 Ländern stellte er fest, dass sich das BIP meist nicht im Einklang mit den drei anderen Konzepten bewegt.

Aus der Sicht eines Praktikers wies Jakob von Weizsäcker (BMF) darauf hin, dass das Ziel sein müsse, ein Gleichgewicht zwischen Input- und Output-Indikatoren herzustellen. Zwar sei der materielle Wohlstand die Basis für gesellschaftlichen Fortschritt und bestimmte Formen der Solidarität. Die Unzulänglichkeiten des BIP als Messgröße seien bekannt. Man sollte es daher nicht überinterpretieren, aber könne auch nicht gänzlich darauf verzichten. Er sprach sich dafür einen Ansatz von „beyond GDP und nicht instead of GDP“. Denn mit steigender Anzahl und Komplexität der Indikatoren (z.B. die 17 UN-SDGs und ihre 169 Unterziele) steige die Gefahr, dass diese der Bevölkerung nicht mehr vermittelt werden könnten.

Angesichts sich negativ entwickelnder Umweltindikatoren, eines sich im Ausnahmezustand befindlichen Planeten und steigender Ungleichheitsraten geht der hitzigen Debatte über die Zukunft des Wirtschaftswachstums nicht der Brennstoff aus. In dem Bemühen, Licht ins Dunkel eines jahrzehntelang währenden Konflikts in der Ökonomie zu bringen, präsentierten Michael Jacobs von SPERI und Xhulia Likaj vom Forum New Economy auf unserem Symposium zum Thema „Wohlstand im 21. Jahrhundert“ Einblicke in die Wachstumsdebatte aus ihrer bald erscheinenden Forum-Studie. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit The New Institute statt.

Xhulia Likaj erläuterte zu Beginn des Panels, Motivation für die Studie sei, eine Debatte in den Mittelpunkt der Wirtschaftswissenschaften zu rücken, die sich trotz aller Fehler und ideologischen Grabenkämpfe mit dem dringendsten Problem der Menschheit befasst – der Frage nach der Zukunft unseres Wohlstands im Einklang mit planetaren Grenzen. Ausgehend von einer historischen Perspektive auf die Wachstumsdebatte, über die Entstehung des Wachstumsparadigmas und die ersten Wachstumskritiken in den 1970er Jahren, bis hin zu einem Überblick über verschiedene wachstumskritische und wachstumsagnostische Ansätze, bietet die Studie einen detaillierten Überblick über die verschiedenen Argumente, die in der Debatte über die Zukunft und Begehrlichkeit von Wirtschaftswachstum vorgebracht werden, und die unterschiedlichen Schlussfolgerungen, zu denen man gelangt ist.

Diese Argumente bildeten dann die Grundlage für die anschließende Diskussion. Vor allem, so betonte Michael Jacobs, schaffe BIP-Wachstum nicht automatisch sozialen Nutzen, wie oft angenommen werde. Wenn wir ökologische Nachhaltigkeit und sozialen Wohlstand erreichen wollen, müssten wir uns direkt auf diese Dinge konzentrieren – anstatt allein auf Wachstum. Gleichzeitig sei es keine wirksame politische Strategie, Wachstum als ein tief in unser politisches System eingebettetes Paradigma anzugreifen. Vielmehr sollten sich Wirtschaftswissenschaftler, Politiker und die Gesellschaft im Allgemeinen auf die Erreichung unserer essentiellen Ziele zu konzentrieren. Diese Position ist Teil einer größeren Anzahl von Forschungsarbeiten und wissenschaftlichen Debatten, die unter dem Oberbegriff Postwachstum zusammengefasst werden können. Zum 50. Geburtstag des Berichts des Club of Rome sollte sich die Wachstumsdebatte nach Ansicht von Jacobs in diese Richtung bewegen.

Nils aus dem Moore, Professor am RWI Essen, ergänzte, dass wir die Wachstumsdebatte nicht erfolgreich lösen könnten, ohne ihr die wichtige Frage hinzuzufügen, wie planetarische Grenzen und ein „gutes Leben“ definiert werden können – und wie dieses Verständnis dann gesellschaftlich verbreitet werden könne.

Katharina Beck von der Partei Bündnis 90/Die Grünen stimmte dem zu, betonte aber, wie wichtig es sei, die neuesten Erkenntnisse der Wachstumsdebatte in konkrete politische Maßnahmen zu überführen. Wachstum sei nicht per se gut oder schlecht – entscheidend sei die Frage, wie wir das Ziel eines guten Lebens für alle innerhalb der planetarischen Grenzen erreichen könnten.

Karen Pittel vom ifo Institut erklärte, dass das Erreichen eines hohen Wohlstandsniveaus und nicht Wachstum an sich das Ziel sein sollte. Die Frage, wie wir eine Politik gestalten können, die dieses Ziel erreicht, sei die eigentliche Herausforderung. Indem wir uns auf Wachstum allein konzentrierten, würden wir uns zu sehr auf eine Überzeugungsdebatte versteifen, anstelle eine Diskussion über die viel wichtigeren Handlungsmöglichkeiten zu führen.

Schlussworte kamen von Michael Jakob vom MCC Berlin, der den fruchtbaren Diskurs und die teilweise Synthese von Vorschlägen aus den verschiedenen Spektren der Wachstumsdebatte begrüßte. Gleichzeitig kritisierte er, dass selbst Postwachstums-Konzepte, die von sich behaupten wachstums-agnostisch zu sein, sich auf den Begriff des Wachstums selbst stützten. Geeigneter sei daher der Begriff „Sustainability Transition Perspective“.

Prof. Dr. André Reichel (ISM) & Dr. Jana Stöver (THE NEW INSTITUTE, CAU-Kiel) stellten “regenerative cultures” als ein mögliches neues Paradigma vor. Dieses rückt die Wiederherstellung (Regeneration) sowohl der ökologischen Ressourcen als auch der menschlichen und gesellschaftlichen Vitalität ins Zentrum. Damit könne die Wachstumsdebatte um nachhaltiges Wachstum, Degrowth und Post-Growth überwunden werden. Vielmehr sei ein radikales Neudenken der Ökonomie nötig. Das Ringen um Begriffe und Indikatoren sei dabei unabdingbar, denn: “Die Grenzen unserer Sprache sind auch die Grenzen unserer Welt”. Die ökonomische Logik der Kosten-Nutzen-Analyse könne im Kontext der planetaren Grenzen nicht funktionieren. Ein Beispiel ist die Schwierigkeit der ökonomischen Wertung von Ökosystemdienstleistungen.

In der anschließenden Panel-Diskussion hob Prof. Dr. Peter Messerli (University of Bern) hervor, dass das Konzept der “regenerative cultures” deutlich macht, dass für die benötigte Beschleunigung der Transformation positive feedback loops nötig seien. Zugleich wies er auch auf die Frage nach der globalen Gerechtigkeit und auf das Recht auf wirtschaftliche Entwicklung hin. Außerdem müssten die Wohlfahrtsindikatoren in lokale Realitäten übersetzt werden können. Er problematisierte, dass in der Politik häufig ein „SDG-Ranking“ verwendet werde. Dies verkenne die Verflechtung der einzelnen Ziele.

Prof. Dr. Julia Steinberger (UNIL) sprach sich dafür aus, über die Messung des Wohlstands hinauszugehen und die aktuellen Konsum- und Produktionsgewohnheiten ins Zentrum der Diskussion zu rücken. Sie argumentierte, dass eine der Triebfedern für ein nicht nachhaltiges Wachstum die in der Gesellschaft verankerte Vorstellung sei, dass Wohlstand vom Konsum abhänge, obwohl die Forschung eindeutig zeige, dass materieller Wohlstand über ein bestimmtes Mindestmaß hinaus das menschliche Wohlergehen nicht beeinflusst. Ihrer Ansicht nach sollten Wissenschaftler die Rolle mächtiger Wirtschaftssektoren und -akteure offener hinterfragen und die Bürgerinnen und Bürger dazu befähigen, im Sinne der zukünftigen Generationen zu handeln.

Prof. Dr. Tom Krebs (Universität Mannheim) zeigte sich offen für mögliche Alternativen zum BIP. Es sei denkbar, einen Indikator zu entwickeln, der den materiellen Wohlstand, die ökologische Nachhaltigkeit und die soziale Gerechtigkeit kombiniere. Zudem warb er dafür, ein einheitliches Entscheidungskalkül festzulegen und erklärte den Konsequentialismus zu der damit zusammenhängenden philosophischen Grundlage.

Janine von Wolfersdorff (THE NEW INSTITUTE) wies auf die bestehenden Fehlanreize im Steuersystem hin. Einerseits spiegelten sich die Umwelt-Risiken noch nicht in der Rechnungslegung wider, was ein grundlegendes Problem für die ökologische Transformation der Wirtschaft sei. Andererseits würde aus Unternehmenssicht vermehrt der Wunsch geäußert, das Steuersystem entsprechend den ökologischen Problemen anzupassen. Dies habe auch eine kürzlich vom The New Institute in Auftrag gegebene Studie gezeigt.

Als Fazit aus dieser Session könnte man ziehen, dass weitere Indikatoren über das BIP hinaus nötig sind, dass uns diese aber nicht entbinden von unserer Verantwortung zu handeln und dass, wenn wir das Wachstum in Frage stellen, wir auch diejenigen in Frage stellen müssen, die von dem Wirtschaftssystem profitieren.

Klimakrise, finanzielle Instabilität, hohe Fluktuation auf dem Arbeitsmarkt, Gesundheitskrise und steigende Ungleichheit –  als Gesellschaft sind wir einer Vielzahl von sozioökonomischen Risiken ausgesetzt. Es kursieren verschiedene Vorschläge, die versprechen, einige dieser Risiken abzuschwächen und zu minimieren. Ihr Potenzial und ihre Defizite waren Gegenstand der finalen Debatte unseres Symposiums „Wohlstand im 21. Jahrhundert“, das wir in Zusammenarbeit mit dem The New Institute organisiert haben.

Einer der neueren Vorschläge, der verspricht, die Menschen vor sozioökonomischen Risiken zu schützen, ist das Konzept der Universal Basic Services. Anna Coote (New Economics Foundation), eine der führenden Wissenschaftlerinnen auf dem Gebiet der UBS, erklärte, dass Ziel sei es, die planetarischen Grenzen nicht zu überschreiten und gleichzeitig den Wohlstand und die Würde der Menschen sicherzustellen. Dies soll dadurch erreicht werden, dass jeder Mensch entsprechend seiner Bedürfnisse Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen erhält. Diese „Sozialgarantie“ soll als sozialer Pfeiler des EU Green Deal fungieren. Laut Coote würde ein UBS-System im Vergleich zu der konkurrierenden Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens (UBI) mehr Spielraum für fiskalische Maßnahmen lassen.

Jannik Landwehr stellte anschließend Erkenntnisse aus einer zeitnah erscheinenden Studie des Forum New Economy über die Auswirkungen von Arbeitsplatzgarantieprogrammen vor.  Im Kern geht es bei Arbeitsplatzgarantieprogrammen darum, dass der Staat jedem, der in der Lage und bereit ist, für einen existenzsichernden Lohn zu arbeiten, einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt. Pilotprojekte in Ländern wie Frankreich und Argentinien, aber auch in Berlin, hätten gezeigt, dass sich die soziale Integration, die Motivation und die psychische Gesundheit der Betroffenen verbessert hätten, so Landwehr.

Der vielleicht bekannteste Vorschlag ist der eines UBI, bei dem alle Bürgerinnen und Bürger eines Landes unabhängig von ihren Lebensumständen einen regelmäßigen finanziellen Zuschuss von der Regierung erhalten. Marcel Fratzscher vom DIW Berlin berichtete über erste Erkenntnisse aus einem UBI Pilotprojekt in Deutschland, bei dem 120 zufällig ausgewählten Personen drei Jahre lang ein monatlicher Zuschuss von 1200 Euro gezahlt wird. Auch wenn es für Ergebnisse noch zu früh sei, da die Studie erst im Juni 2021 startete, betonte Fratzscher, dass ein wichtiger Vorteil des UBI in seiner befähigenden anstatt sanktionierenden Natur liege.

Diskutanten waren Achim Truger vom Sachverständigenrat für Wirtschaft, Dirk Ehnts (TU Chemnitz) und Jens Suedekum (DICE), die u.a. die mangelnde Praxisrelevanz der ausgewählten Vorschläge, ihre möglichen negativen Auswirkungen und Finanzierungsmöglichkeiten kommentierten.