NEUES LEITMOTIV

Short Cut Re-Live: 'Bringt Schwarz-Rot unter Merz den Aufschwung?'

New Economy Short Cut mit Dominika Langenmayr, Sebastian Dullien, Holger Schmieding und Philipp Heimberger

VON

GERRIT TER HORST

VERÖFFENTLICHT

25. FEBRUAR 2025

LESEDAUER

2 MIN

Nach der Wahl deutet alles darauf hin, dass Deutschland bald von einer schwarz-roten Koalition unter Friedrich Merz regiert wird. Wie gut stehen die Chancen auf wirtschaftliche Besserung? Helfen Steuersenkungen für alle wirklich, wie es die CDU vorhat? Oder wären gezielte Investitionsprämien besser? Und wer soll das bezahlen? Wie stehen die Chancen auf eine Reform der Schuldenbremse – und auf ein Ende der Austerität, die zur Rezession stark beigetragen hat?

Über diese Fragen haben wir in unserem New Economy Short Cut„Bringt Schwarz-Rot unter Merz den Aufschwung?“ am Freitag, den 28. Februar mit Dominika Langenmayr, Wirtschaftsprofessorin an der KU Eichstätt-Ingolstadt, Sebastian Dullien, Wissenschaftlicher Direktor des IMK, Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, und Philipp Heimberger, Ökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche diskutiert.

Dominika Langenmayr eröffnete die Diskussion und sprach zunächst die Frage von Machbarkeiten an: Für eine Reform der Schuldenbremse sieht sie bei den Mehrheitsverhältnissen im neuen Bundestag wenig Chancen. Mehr Chancen räumte sie dem erneuten Auflegen eines Sondervermögens ein, das ließe sich auch mit dem noch bestehenden Bundestag beschließen. Sebastian Dullien warf hingegen ein, dass er demokratietheoretische Bedenken habe, wenn größere Maßnahmen mit den Mehrheiten des alten Bundestags auf den Weg gebracht würden.

Von dort aus richteten die Diskutierenden ihren Blick auf mögliche wirtschaftspolitische Maßnahmen, um den titelgebenden „Aufschwung“ anzustoßen. Die Diskussion bildete dabei ab, wie sich der Diskurs in den letzten Jahren verschoben hat: Obwohl mit den vier Diskutierenden durchaus unterschiedliche volkswirtschaftliche Positionen versammelt waren, waren sich alle einig, dass der Staat – ob nun mit einer Reform der Schuldenbremse oder mit Sondervermögen – mehr Spielraum für Investitionen braucht. Die Dringlichkeit der Aufgaben sei einfach zu groß, um nicht mehr Geld in die Hand zu nehmen.

Dissens gab es darüber, welche konjunkturankurbelnden Maßnahmen daneben nötig sind, um Wachstum zu generieren. Dominika Langenmayr und Holger Schmieding sprachen sich sehr für eine dauerhafte Senkung der Körperschaftssteuer aus. Beide formulierten die Notwendigkeit, positive, investitionsfreundliche Signale an die deutschen Unternehmen zu senden. Das ginge, so Schmieding, am besten mit dauerhaften Steuersenkungen, anstatt mit temporären Abschreibungsmöglichkeiten oder Investitionsprämien. Dagegen wandte Philipp Heimberger ein, dass eine Senkung der Körperschaftssteuer einen Steuersenkungswettbewerb in Europa befeuern würde und favorisierte eher Investitionsmaßnahmen, die die Binnennachfrage stärken.

Damit war dann auch der letzte und grundsätzlichste Punkt der Diskussion angesprochen: Wie geht es weiter mit dem Geschäftsmodell Deutschland in einer rauer werdenden geopolitischen Situation? Heimberger sieht das exportorientierte Wirtschaftsmodell, das lange Zeit Garant für deutschen Wohlstand war, an ein Ende gekommen: Das Land könne seinen Erfolg nicht länger auf riesige Handelsüberschüsse aufbauen, sondern müsse Wege finden, den heimischen Markt zu stärken, in Infrastruktur investieren, Lohnentwicklung und Konsum ankurbeln. Das würde auch die Unabhängigkeit Deutschlands gegenüber der Lage auf den Weltmärkten stärken, in einer Zeit, in der man weder weiß, wie es mit Trumps Zollpolitik weitergeht, noch wie sich der chinesische Markt entwickeln wird.

Holger Schmieding ging das zu schnell – er warnte davor, das deutsche Geschäftsmodell vorschnell zu beerdigen, da Deutschland immer gut damit gefahren sei. Nun müsse es eher darum gehen, die Unternehmen mit einer angebotsorientierten Politik wieder in die Lage zu versetzen, auf den internationalen Märkten zu bestehen. Resilienzen stärken, darum ging es auch Sebastian Dullien zum Schluss noch mal, als er die Frage aufwarf, ob Deutschland und Europa wirklich auf die geopolitischen Herausforderungen vorbereitet sei, nicht nur im engeren wirtschaftspolitischen Sinne. Er nannte zum Beispiel das Fehlen einer eigenen Satelliteninfrastruktur als einen Punkt, in dem Europa gänzlich abhängig von den USA sei.

Weckt man damit unrealistische Erwartungen? Langenmayr war es auch zum Schluss wieder, die die Frage von Machbarkeiten in den Raum stellte: Kann sich Deutschland überhaupt aus eigener Kraft gegen die Widrigkeiten des Weltmarktes wappnen? Sie äußerte Skepsis und warb für Realismus. Bis zu einem gewissen Grad würden wir immer abhängig sein, von dem was in Washington und Peking entschieden wird. Was die Diskussion gezeigt hat, ist, dass Wirtschaftspolitik zwar schon immer auch Geopolitik war, aber dass das wohl lange nicht so offensichtlich war wie in unserer Gegenwart. Deutschland und Deutschlands Wirtschaft müssen sich in einer veränderten Weltlage eine neue Position erstreiten. Man darf gespannt sein, ob der neuen Koalition dies gelingt.

Die ganze Diskussion hier

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