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BIP und Wohlfahrt – Zwei verschiedene Paar Schuhe

Joseph Stiglitz beschreibt den problematischen Fokus auf das BIP bei der Messung des Wohlstands von Gesellschaften. Er plädiert für die Verwendung eines Dashboards mit individuellen Indikatoren für jedes Land.

VON

THORE BECKMANN

VERÖFFENTLICHT

11. AUGUST 2020

LESEDAUER

4 MIN

Wie kann man den Wohlstand eines Landes am besten messen? Es wird immer deutlicher, dass der wissenschaftliche, politische und mediale Fokus auf das BIP zu einer unzureichenden Betrachtung der Entwicklung des Wohlstands führt. Nobelpreisträger Joseph Stieglitz gehört zu den führenden Ökonom*innen, die sich seit langer Zeit mit der Entwicklung und Optimierung wohlfahrtsbemessender Indikatoren beschäftigt.

Im Scientific American hat Stieglitz nun seine Kritik am BIP und seine Vision für eine bessere Indikatoren-Grundlage erneuert. Als Beispiel dient ihm dafür nicht zuletzt die miserable Situation der USA während der Covid-19 Pandemie. Zu wenig Fokus würde öffentlich in ruhigeren Zeiten auf die Gesundheitssituation der Bevölkerungen gelegt werden. Die Wohlfahrt der USA könnte derzeit in keinem Fall im Status des BIP ausgedrückt werden.

Ein weiterer wichtiger Effekt ist laut Stieglitz die unzureichende Bepreisung externer Effekte sowie vom allgemeinen Ressourcenverbrauch.

Schon seit den 90er Jahren setzt sich Stieglitz ein, klimaschädliche Handlungen beim Wirtschaften als Kosten den Zuwächsen des BIP gegenüberzustellen. Ein Punkt, der auch von unserer akademischen Partnerin Maja Göpel  immer wieder mit Nachdruck gefordert wird. Nur, wenn die Gesamtheit der Externalitäten einer Handlung bepreist werden können, kann ihr Wohlfahrtseffekt beurteilt werden.

Ungleichheit zum Beispiel ist ein weiterer Faktor, der von der Entwicklung des BIP nicht erfasst wird und, wie Stiglitz zeigt, mit dem BIP-Wachstum korrelieren kann, obwohl neuere Studien zeigen, dass es sogar eine negative Kausalität gibt.

Das Magische Viereck als Lösung der Probleme?

Neben einer umfassenderen Bemessung des BIP fordert Stiglitz, dass die Beurteilung der Wohlfahrt anhand eines Dashboards von mehreren Indikatoren erfolgen muss. Diese, so argumentiert der Nobelpreisträger, könnten sogar für verschiedene Länder unterschiedlich sein und genau auf die spezielle Situation einzelner Länder abzielen.

Auch das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hat ein Modell entwickelt, welches die Situation einer Volkswirtschaft besser darstellt als lediglich das BIP es könnte. Mit dem „Magischen Viereck“ versucht das IMK eine breitere Betrachtung der Wohlfahrtsentwicklung. Neben der sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit soll das neue Modell auch die Nachhaltigkeit der Staatstätigkeit und Staatsfinanzen beurteilen. Zudem nimmt es auch die Entwicklung des materiellen Wohlstands in Betracht (Hier geht es zum „Magischen Viereck des IMK“).

Den kompletten Artikel von Joseph Stiglitz lesen Sie hier: GDP is the Wrong Tool for Measuring What Matters

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Brauchen wir ein ganz neues Verständnis von Wirtschaftswachstum? Was wäre eine reale Alternative? Wie praktikabel sind Alternativen zum Bruttoinlandsprodukt, wenn es um die Messung von Wohlstand geht? Um diese und andere grundsätzlichere Herausforderungen geht es in dieser Sektion.

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