DER STAAT

Short Cuts zur Bundestagswahl – Vermögensteuer, Schuldenbremse, Steuersenkungen

Noch mangelt es dem Wahlkampf vielerorts an inhaltlicher Tiefe. Doch relevante Megathemen für die Zukunft gäbe es viele. Darum haben wir führende Bundestagskandidaten und -kandidatinnen dazu eingeladen, die maßgeblichen wirtschaftspolitischen Konzepte ihrer Parteien mit uns zu diskutieren.

VON

SONJA HENNEN

VERÖFFENTLICHT

12. AUGUST 2021

LESEDAUER

5 MIN

Auch wenn man es dem bisherigen Wahlkampf kaum anmerkt, es steht viel auf dem Spiel im Wahljahr 2021. Die Herausforderungen sind komplex und umfassend, die Zeit – zum Beispiel im Hinblick auf den sich immer weiter beschleunigenden Klimawandel – zunehmend knapp. Selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie rief zuletzt in der „Welt am Sonntag“ dazu auf, „angesichts der gewaltigen Herausforderungen […] wegzukommen von Nebensächlichkeiten.“

Es geht um große Entscheidungen, um das Ausmaß und die Richtung der Weichenstellungen für kommende Jahrzehnte, um neue wirtschaftliche Leitgedanken und politische Ideen. Was aber sagen die Parteien zu den großen Streitthemen? Wie gut lässt sich die Wiedereinführung der Vermögensteuer begründen; oder die Behauptung, große Steuersenkungen finanzierten sich am Ende von alleine? Was spricht dafür, die Schuldenbremse so zu reformieren – und was dagegen? Und würde ein bundesweiter Mietendeckel dauerhaft helfen? Oder eine Klimapolitik, die stärker auf steigende CO2-Preise setzt?

Wir haben prominente Kandidaten und Kandidatinnen zur Wahl in den Bundestag eingeladen, das vorzustellen, was sie in ihren Wahlprogrammen zu jeweils einer dieser großen ökonomischen Fragen unserer Zeit versprechen. In unserer Short Cut Sonderreihe zur Bundestagswahl haben sie mit ausgewiesenen Experten und Expertinnen jeweils eine gute Stunde diskutiert.

Wir haben Gespräche geführt mit Norbert Walter-Borjans (Parteivorsitzender, SPD) und Christian Dürr (stellvertretender Fraktionsvorsitzender, FDP), mit Anja Hajduk (stellvertretende FraktionsvorsitzendeBündnis 90/ Die Grünen), Thomas Heilmann (CDU) und Caren Lay (stellvertretende Fraktionsvorsitzende, DIE LINKE). Begleitet haben wir die Diskussionen auf unserer Website mit Dossiers zu den ökonomischen Grundlagen für die jeweiligen Vorschläge. An dieser Stelle ein Überblick über die relevanten inhaltlichen Fragestellungen und unsere Gesprächspartner und -partnerinnen.

Die Themen und Gesprächspartner

Was bringt die Vermögensteuer, Norbert-Walter Borjans? 

Die Corona Pandemie hat die Diskussionen rund um die wachsende soziale Ungleichheit in Deutschland zuletzt wieder angefacht. Dass die Ungleichheit in Deutschland nicht erst seit der Pandemie wächst, belegt eine vom Forum in Auftrag gegebene Studie von drei deutschen Ökonominnen und Ökonomen um den Bonner Professor Moritz Schularick, die als erste auf Basis von Steuerdaten, Umfragen und Reichenlisten die langfristige Entwicklung der Vermögensungleichheit in Deutschland umfangreich erfasst haben.

Die SPD schlägt vor, die Vermögensteuer zurückzubringen – mit einem einheitlichen Steuersatz von einem Prozent für hohe Vermögen. Doch wie sinnvoll ist die Vermögenssteuer aus ökonomischer Sicht? Wie würde sich das auf den Gini-Index auswirken? Und ist eine Vermögensteuer ein wirksames Einzelinstrument, oder bedarf es ergänzender Maßnahmen, um eine gewisse Wirkung auf die Ungleichheit zu erzielen? Darüber haben wir am 24. August  mit Norbert Walter-Borjans, Parteivorsitzender der SPD, und Markus Grabka vom DIW gesprochen.

Finanzieren sich Steuersenkungen auf Pump am Ende selbst, Christian Dürr?

Steuersenkungs-Versprechen gibt es in Wahlkampfzeiten üblicherweise viele. Wer wie viel profitiert, das hängt stark von den einzelnen Parteien sowie dem individuellen Einkommen und Vermögen ab. Auch in Bezug auf die volkswirtschaftlichen Konsequenzen von Steuersenkungen bzw. -erhöhungen herrscht mitunter wenig Einigkeit. Hinzu kommt, dass die Corona-Pandemie die Staatskassen viel Geld gekostet, die Schulden in die Höhe getrieben hat.

Vor diesem Hintergrund haben wir mit Christian Dürr über den „Entfesselungspakt für die deutsche Wirtschaft“ sprechen, also über die Forderung der FDP nach weitreichenden Steuererleichterungen. Diese sollen es Deutschland ermöglichen, aus den während der Corona-Krise aufgenommenen Schulden herauszuwachsen. Kern der FDP-Forderungen ist das Argument, dass Steuersenkungen als Investitionsanreize und somit unterm Strich als Einnahmen-Multiplikatoren wirken. Scheint es aus ökonomischer Sicht in der aktuellen Situation sinnvoll, deutsche Unternehmen und Gutverdienende derart zu entlasten, wie es die FDP vorschlägt? Was sagt etwa die empirische Forschung zu Fiskalmultiplikatoren? Ist es möglich, bereits jetzt valide Schlüsse aus der letzten US-Steuerreform zu ziehen? Darüber konnten wir mit FDP-Fraktionsvize und MdB Christian Dürr und dem Ökonomen Rüdiger Bachmann (University of Notre Dame) sprechen.

Hilft ein bundesweiter Mietendeckel gegen die Wohnungskrise, Caren Lay?

Nicht zuletzt seit der zeitweisen Einführung des Mietendeckels in Berlin wird in Politikkreisen und auch medial viel und heftig über die deutsche Wohnungs-und Mietpolitik debattiert. Im Wahlkampf hat sich dies nur verschärft. Kaum eine andere Partei macht sich das Thema der Wohnungspolitik dabei so zu eigen wie die Linke. In ihrem Wahlprogramm verspricht die Partei unter anderem, Mieten bundesweit zu deckeln, Wohnungen vermehrt in öffentliche Hand zu überführen, und den sozialen Wohnungsbau massiv auszubauen – mit 15 Milliarden Euro pro Jahr.

Aber würde ein bundesweiter Mietendeckel dauerhaft helfen – und ist ein derartiger Eingriff in den Markt aus ökonomischer Sicht überhaupt sinnvoll? Darüber haben wir am 23. August mit Caren Lay, der Vize-Fraktionschefin der Linken, und Claus Michelsen, dem ehemaligen Konjunkturchef am DIW gesprochen.

Müssen wir die Schuldenbremse reformieren, Anja Hajduk?

Während der Corona Krise mit ihren enormen Finanzierungsanforderungen hat der Bund die Schuldenbremse bis mindestens 2022 ausgesetzt. Wann und in welcher Form man nach der Krise zur Schuldenbremse zurückkehren sollte, darüber sind sich die Parteien ebenso wie die Wissenschaft uneinig.

Die Grünen argumentieren in ihrem Wahlprogramm für eine Reform der Schuldenbremse. Dabei soll die Schuldenbremse für konsumtive Ausgaben erhalten bleiben, nötigen Zukunftsinvestitionen aber mehr Spielraum in Höhe der Netto-Investitionen verschafft werden. Doch wie sinnvoll ist dieses Vorhaben aus ökonomischer Sicht? Wird dadurch die finanzpolitische Flexibilität zu sehr eingeschränkt? Oder geht der Vorschlag im Gegenteil nicht weit genug, um wichtige Investitionen, zum Beispiel in Infrastruktur und Klimaschutz, zu finanzieren? Darüber haben wir  mit Anja Hajduk, der Vize-Fraktionschefin der Grünen, und Philippa Sigl-Glöckner, Direktorin beim Dezernat Zukunft, gesprochen.

Wie können wir den Staat neu denken, Thomas Heilmann?

Angesichts der Corona-Pandemie hat im letzten Jahr die Kritik am Krisenmanagement des Staates wieder zugenommen. Das ist nicht verwunderlich, denn gerade in Krisen wird die staatliche Leistungs- und Reaktionsfähigkeit auf den Prüfstand gestellt und das Augenmerk auf die Schwachstellen gelenkt. Stimmen, die nach Reformen rufen, gibt es daher viele. Wie diese aussehen könnten – und ob sich so die großen Herausforderungen unserer Zeit besser lösen ließen, darüber herrscht jedoch teilweise Uneinigkeit.

Die CDU fordert in ihrem Wahlprogramm eine Modernisierungsoffensive für den Staat – Verwaltungsmodernisierung, Digitalisierung und eine Reform des Staatswesens inklusive. Aber wie sinnvoll sind diese Reformen – und wie können sie umgesetzt werden? Werden so die wichtigen Probleme, mangelnde Investitionen ins Klima zum Beispiel, oder die in der Pandemie ans Licht geholten Schwachstellen adressiert? Darüber haben wir mit Thomas Heilmann, MdB von der CDU/CSU Fraktion und Mitautor des Buches ‚Neustaat‘, und Henning Vöpel, Professor für Volkswirtschaftslehre an der HSBA Hamburg School of Business Administration und bis vor kurzem Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts (HWWI), diskutiert.

ZUM THEMA DER STAAT

KNOWLEDGE BASE

Jahrzehnte lang galt der Konsens, dass sich der Staat sich aus der Wirtschaft zurückziehen und man die Staatsschulden senken sollte, um den Wohlstand zu fördern. Dies hat jedoch zu chronischen Mängeln in Bildung und Infrastruktur geführt. Neuere Forschung versucht zu erörtern, wann es sinnvoll ist, dass sich der Staat in den Wirtschaftsprozess einmischt, um langanhaltenden Wohlstand zu garantieren und Krisen zu verhindern.

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